Die Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen (gpaNRW) hat die Kreisstadt Bergheim im Rahmen der überörtlichen Prüfung unter die Lupe genommen. Das Prüfteam ging dabei insbesondere der Frage nach, ob die Gemeinde sachgerecht, rechtmäßig und wirtschaftlich verwaltet wird. Die wesentlichen Ergebnisse und Handlungsempfehlungen wurden nun in der Sitzung des Ausschusses für Feuerwehr, Ordnung und Rechnungsprüfung durch Projektleiter Heinrich Josef Baltes, gpa-Prüferin Marion Keppler sowie die Stellvertreterin des Präsidenten der gpaNRW, Simone Kaspar, vorgestellt.
„In vielen Kommunen sind die finanziellen Spielräume klein. Zusätzlich wachsen die Abwärtsrisiken durch Inflation, Ukraine-Krieg, Migrationskrise und nicht zuletzt die wirtschaftliche Stagnation. Auf die Kreisstadt Bergheim trifft beides zu. Erfreulich ist, dass die Verantwortlichen mit eigenen Anstrengungen frühzeitig begonnen haben, gegenzusteuern. Aus unserer Sicht müssen die vorhandenen Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung konsequent weiterentwickelt und neue Impulse gesetzt werden“, erklärt gpa-Vizepräsidentin Simone Kaspar.
Im Fokus der Prüfung standen die Themenbereiche Finanzen, Beteiligungen, Hilfe zur Erziehung, Bauaufsicht und Verkehrsflächen.
„Der Handlungsbedarf der Kreisstadt Bergheim zur Verbesserung der Haushaltssituation ist hoch. Ursächlich hierfür sind zum einen die Jahresergebnisse im Betrachtungszeitraum von 2015 bis 2020, die mit einem Defizit von 14,9 Mio. Euro abschlossen und zum anderen die Haushaltsplanung bis 2025, die mit 7,5 Mio. Euro ein weiteres Defizit ausweist. Daneben nutzt die Stadt die vom Land NRW in Folge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges geschaffenen Bilanzierungshilfen. Diese werden ab 2026 das Eigenkapital weiter reduzieren“, skizziert Projektleiter Heinrich Josef Baltes die komplexe Lage der Stadtfinanzen. Vor diesem Hintergrund begrüßt die gpaNRW das vom Stadtrat auf den Weg gebrachte freiwillige Haushaltskonsolidierungskonzept als ersten Schritt, dem weitere folgen sollten. Lob erfährt die Kreisstadt für ihr unterjähriges Berichtswesen zur Entwicklung der Stadtfinanzen, wodurch frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden können, wenn Zielabweichungen drohen.
Die Kreisstadt Bergheim verfügt über 19 Beteiligungen, die eine flache Beteiligungsstruktur mit sich bringen. Die Auswirkungen auf den städtischen Haushalt sind moderat. „Das Beteiligungsmanagement erfüllt die gestellten Anforderungen überwiegend“, bewertet Heinrich Josef Baltes die Arbeit der Stadtverwaltung positiv. In einer festen Etablierung von Beteiligungsberichten sowie wiederkehrenden Schulungen für die ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertretern in den Gremien sieht die gpaNRW Optimierungsmöglichkeiten.
Das Handlungsfeld Hilfe zur Erziehung war ebenfalls Bestandteil der Prüfung. Regelmäßig ist es mit hohen Belastungen für das kommunale Finanzbudget sowie enormer persönlicher Bedeutung für die Leistungsbezieher verbunden. „Die Kreisstadt Bergheim weist im interkommunalen Bereich einen erhöhten Fehlbetrag je Einwohner von 0 bis unter 21 Jahren aus. Wir haben in unserer Prüfung hohe Aufwendungen je Hilfefall, einen erhöhten Anteil stationärer Hilfen sowie einen geringen Anteil von Vollzeitpflegefällen als Ursachen dafür identifiziert. Positiv ist, dass das Fach- und Finanzcontrolling bereits gut ausgebaut ist“, berichtet gpa-Prüferin Marion Keppler. Um die hohen Aufwendungen zu reduzieren, sollte das Jugendamt die Prozesskontrollen innerhalb einzelner Hilfearten intensivieren sowie ein Prozess- und Qualitätshandbuch entwickeln, schreibt die gpaNRW in ihrem Prüfungsbericht.
Die Kreisstadt Bergheim verfügt über zwei Bauaufsichten und ist damit eine Besonderheit in NRW. Tatsächlich gibt es neben der allgemeinen Bauaufsicht in der Abteilung „Wirtschaftsförderung und Tourismus“ die sogenannte gewerbliche Bauaufsicht. „Beide Bauaufsichten arbeiten in den geprüften Bereichen grundsätzlich rechtskonform, werden digitaler und setzen Fachsoftware ein. Um weitere fachliche Potenziale und organisatorische Synergieeffekte nutzen zu können, sollte eine Beschleunigung der Digitalisierung erfolgen und über eine Zusammenlegung der beiden Bauaufsichten intensiv nachgedacht werden. Außerdem sollte die Steuerung über Kennzahlen erfolgen, um so die Auslastung der Sachbearbeitung im Blick zu behalten“, erläutert Marion Keppler drei gpa-Handlungsempfehlungen.
Die Erhaltung der Verkehrsflächen bedeutet für viele Städte eine enorme Herausforderung. Die Kreisstadt Bergheim bildet hier keine Ausnahme. „Das Aufbruchmanagement ist gut organisiert und eine Straßendatenbank befindet sich im Neuaufbau. Sie sollte das Fundament für eine an Kriterien orientierte, nachvollziehbare und mit Finanzmitteln hinterlegte Straßenerhaltungsstrategie sein. Körperliche Inventuren sollten regelmäßig erfolgen und der Bilanzwert der Verkehrsflächen stabilisiert werden“ empfiehlt Heinrich Josef Baltes eine sehr konkrete Vorgehensweise.
„Die Kreisstadt Bergheim hat herausfordernde Haushaltsjahre erlebt. Die Stadtfinanzen sind auch aktuell einem gewaltigen Stresstest ausgesetzt. Stressreduktion ist dringend notwendig. Alles was in den eigenen Handlungsrahmen fällt, sollte nun mutig angepackt werden. Das Etappenziel ist die Erhaltung eigener kommunaler Handlungs- und Gestaltungsspielräume. Unser Prüfungsbericht ist für diese Wegstrecke ein wertvoller Begleiter mit vielen nützlichen Inhalten. Gerne unterstützen wir Rat und Verwaltung mit unserer fachlichen Expertise und 20-jährigen Erfahrung weiterhin“, betont die Stellvertreterin des Präsidenten der gpaNRW Simone Kaspar.
Bürgermeister Volker Mießeler erklärt abschließend zu den Ergebnissen der gpaNRW: „Ich möchte mich bei der gpa NRW für die Begleitung und die vorgestellten Ergebnisse und Handlungsempfehlungen bedanken, diese geben uns an einigen Stellen nochmals Aufschluss über die gegenwärtige Situation - darüber, in welchen Bereichen wir weitere Maßnahmen zur Prozessoptimierung vornehmen müssen, aber auch darüber, wo wir trotz der großen strukturellen und finanziellen Belastungen der letzten Jahre gut aufgestellt sind. In vielen Bereichen unserer Verwaltung wurden gute, klare Strukturen und Kommunikationswege identifiziert und Synergieeffekte durch fach- und abteilungsübergreifende Verknüpfungen und Zusammenarbeit positiv hervorgehoben, was mich sehr freut. Denn wir haben bereits frühzeitig begonnen, uns als Kommune den vergangenen und künftigen Herausforderungen zu stellen und gegenzusteuern. Wir wollen auch weiterhin konsequent Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung verfolgen und weiterentwickeln.
Mit dem Modell der getrennten Bauaufsichten ist die Kreisstadt Bergheim derzeit die einzige Kommune in NRW, die dieses Konstrukt vorhalten kann, welches sich für die Kreisstadt Bergheim und unsere Gewerbetreibenden bewährt hat. Dennoch werden wir uns auch hier nochmals mit der Empfehlung der gpa NRW kritisch auseinandersetzen.“ Der Prüfbericht der gpa NRW für die Kreisstadt Bergheim ist auf der städtischen Website unter www.bergheim.de einsehbar.
Info zur gpaNRW
Die gpaNRW ist Teil der staatlichen Aufsicht des Landes über die Kommunen und wurde im Jahr 2003 gegründet. Sie hat ihren Sitz in Herne. Ihr ist durch Gesetz und Gemeindeordnung die überörtliche Prüfung aller 396 Kommunen, der 30 Kreise sowie der Städteregion Aachen, der beiden Landschaftsverbände und des Regionalverbandes Ruhr (RVR) übertragen. Präsident der gpaNRW ist seit 15. September 2023 Bürgermeister a.D. Michael Esken.
Die gpaNRW veröffentlicht ihre Prüfungsberichte auf ihrer Homepage unter www.gpa.nrw.de.